1982 wurde im damaligen West-Berlin das „Museum für Verkehr und Technik“ (MVT), heute „Deutsches Technikmuseum“, gegründet. In den Anfangsjahren galt es zunächst, eine umfangreiche Sammlung an Objekten aufzubauen und die Ausstellungen einzurichten. Eine der Quellen für Objekte war dabei die DDR, die über die Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA) Kulturgüter gegen Devisen ins westliche Ausland verkaufte. Die Geschäfte mit der KuA wurden überwiegend über das West-Berliner Unternehmen Antik-Shop Antiquitäten Galerie GmbH & Co. Handels-KG (Antik-Shop) als Zwischenhändler abgewickelt.[1]
Bis 1989 erwarb das MVT nach jetzigem Kenntnisstand auf diesem Weg etwa 93 Objekte und Konvolute aus der DDR. Ob weitere über den Antik-Shop angekaufte Objekte ebenfalls aus der DDR stammen wird geprüft.
Dass ein Objekt in der Museumssammlung von der KuA stammt kann in vielen Fällen durch Dokumente der KuA wie Verträge, Spezifikationslisten, Währungsfaktura und Transportscheine belegt werden. Zum Teil sind diese Dokumente im Museum selbst, zum Teil im Bundesarchiv Berlin (Bestand DL 210) überliefert.
Hinweise auf die Zulieferer der KuA wiederrum können die sogenannten Aufklebernummern der KuA geben, die entweder als Aufkleber auf den Objekten selbst oder als Bemerkungen auf den Spezifikationen der KuA zu finden sind. Für rund 75 Objekte der Sammlung des Technikmuseums konnten die Aufklebernummern bisher ermittelt werden.
In einem Teil der Fälle können diese Nummern mit der Handreichung des Bundesarchivs Berlin entschlüsselt und so Hinweise auf die Zulieferer der KuA gewonnen werden.[2] So verweisen z.B. die Aufklebernummern in den hier gezeigten Beispielen aus der Museumssammlung alle auf Einkäufer*innen des VEB Antikhandel Pirna.
Archivverbund Pirna
Einen Schritt weiter zurück in der Geschichte der Objekte können einen die beim Archivverbund Pirna aufbewahrten Unterlagen des VEB Antikhandel Pirna bringen: Dort liegen unter der Signatur SAP 10051 (Stadtarchiv Pirna) Kaufverträge des VEB mit privaten oder institutionellen Verkäufer*innen sowie Inventur- und Lagerlisten aus den verschiedenen Ankaufsbereichen wie Geithain, Pirna, Rostock und Meißen.
Eine Einschränkung gleich zu Beginn: Der Archivbestand in Pirna umfasst nur die Kaufverträge, Inventur- und Bestandslisten aus dem Zeitraum Dezember 1988 bis November 1989. Die Frage, wo sich die Ankaufsunterlagen aus der Zeit vor 1989 befinden, konnte bisher nicht geklärt werden. Im Sächsischen Staatsarchiv/Hauptstaatsarchiv Dresden gibt es weitere Aktenbestände zum VEB Antikhandel Pirna, aber laut Findliste keine Kaufverträge.
Kaufverträge
Die Kaufverträge sind nach Einkaufsbereichen und darin nach dem Monat des Ankaufs geordnet. Die Formulare der Kaufverträge enthalten Felder für Namen, Adresse und Personalausweisnummer des Verkaufenden. In der Spalte „Pos.Nr“ („Positionsnummer“) sind entweder fortlaufende Nummern oder die Aufklebernummern, wie sie von den KuA-Spezifikationen bekannt sind, eingetragen.
![[Bild 4] Kaufvertrag VEB Antikhandel Pirna No. 20911, Quelle Archivverbund Pirna SAP 10051-77](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-4-Kaufvertrag-VEB-Antikhandel-Pirna-Nr.-23089-Quelle-Archivverbund-Pirna-SAP-10051-78-scaled.jpg)
Die Bezeichnungen der Waren sind meist sehr allgemein gehalten, z.B. Schrank, Truhe, Ölbild (Alpen) usw. In einigen Fällen werden Künstler*innen, Hersteller*innen oder Fahrgestellnummern genannt.
![[Bild 5] Kaufvertrag VEB Antikhandel Pirna Nr. 23089, Quelle Archivverbund Pirna SAP 10051-78](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-5-Kaufvertrag-VEB-Antikhandel-Pirna-No.-20911-Quelle-Archivverbund-Pirna-SAP-10051-77-scaled.jpg)
Museen, die Objekte aus dem Bestand der KuA gekauft haben, die über ihre Aufklebernummer dem Antikhandel Pirna zuzuordnen sind und dort 1989 angekauft wurden, können durch die erhaltenen Verträge Informationen zu den Privatpersonen oder Institutionen erhalten, die diese Objekte verkauft haben. Die Objekte aus der Sammlung des Deutschen Technikmuseums gehören nicht in diese Kategorie, da sie zwischen 1984 und 1988 erworben wurden.
Rechts unten wurden die Verträge mit dem Firmenstempel des VEB versehen. In einigen Fällen hatten die Einkäufer*innen eigene Firmenstempel mit ihren Namen. Vielleicht liefern diese Stempel bei einer kompletten Auswertung des Bestandes bisher nicht bekannte Namen von Einkäufer*innen des VEB Antikhandel Pirna und damit weitere Hinweise zur Entschlüsselung von Aufklebernummern.
Es gibt auch Kaufverträge, bei denen im Feld „Verkäufer“ Stempel zu sehen sind z.B. vom Rat der Stadt Kamenz, Rat der Stadt Potsdam, Kreisgericht Finsterwalde etc. In diesen Fällen ist häufig angegeben: „gemäß Kaufvertrag XYZ“. Ob über diese Vertragsnummern durch Recherchen in den zuständigen Archiven Personen den verkauften Objekten zugeordnet werden können wäre zu prüfen.
Inventur- und Lagerbestandslisten
Die Inventur- und Lagerbestandslistensind nach Einkaufsbereichen sowie chronologisch geordnet.
In den Lagerbestandslisten wurden jeweils der Ort (hier Goes-Göppersdorf), der Name der für den Einkaufsbereich zuständigen Person, das Datum der Listenerstellung und der Ankaufspreis der Objekte genannt. In der Spalte „Aufkleber“ wurden die Aufklebernummern der Objekte vermerkt.
![[Bild 6] Lagerbestandsliste VEB Antikhandel Pirna, Quelle Archivverbund Pirna SAP 10051-172](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-6-Lagerbestandsliste-VEB-Antikhandel-Pirna-Quelle-Archivverbund-Pirna-SAP-10051-172-scaled.jpg)
In den gesichteten Inventurlisten sind jeweils der Ort (hier Büro Pirna) und die einzelnen Räume des Standorts angegeben, also z.B. „Betriebsdirektor“ und „Sekretariat“. Neben dem Datum der Inventur, der Warenart und dem Ankaufspreis wurden die Aufklebernummern der Objekte vermerkt.
![[Bild 7] Inventurliste VEB Antikhandel Pirna, Quelle Archivverbund Pirna SAP 10051-122](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-7-Inventurliste-VEB-Antikhandel-Pirna-Quelle-Archivverbund-Pirna-SAP-10051-1223-scaled.jpg)
Weitere Dokumente
Neben anderem haben sich in Pirna Personalunterlagen erhalten. Die in den Kaufunterlagen und in diesen Personalakten überlieferten Namen und Initialen der Einkäufer*innen können zukünftig vielleicht helfen, weitere Aufklebernummern zu identifizieren und den Einkäufer*innen des Antikhandels Pirna zuzuordnen. Dazu müssten diese Unterlagen gezielt auf Namen und Kürzel hin untersucht werden.
Findliste
Der Bestand ist momentan noch nicht online recherchierbar. Die entsprechende Findliste wird auf Anfrage durch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Archivverbund Pirna, denen ich an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre Unterstützung danken möchte, zur Verfügung gestellt.
Kontakt:
Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
Geschäftsbereich 1 | Amt für Zentrale Dienste | Referat Archivverbund
Schloßhof 2/4 | 01796 Pirna
Tel.: 03501 515 4448
archivverbund@landratsamt-pirna.de
Über die Ankäufe des Deutschen Technikmuseums aus der DDR informiert auch die Online-Ausstellung „Zum Shopping in die DDR“ https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/ddr-erwerbungen/
[1] Prölß, Peter und Weber, Elisabeth: Herkunft Mühlenbeck. Erwerbungen aus der DDR im Deutschen Technikmuseum, in: Technisches Kulturgut Band 2., hrsg. von Hellfritzsch, Ron, Gross, Sören und Mappes, Timo, Jena 2023. S. 248 -263.
[2] Bernd Isphording: Hinweise zur Aufschlüsselung von Aufklebernummern der Kunst und Antiquitäten GmbH
im Bestand BArch DL 210, Februar 2023, online: https://www.bundesarchiv.de/assets/bundesarchiv/de/Downloads/Listen/Hinweise-Aufschluesselung-Aufklebernummern-Kunst_und_Antiquitaeten-GmbH-Bestand_BArch-DL-210.pdf
Katja Boegner ist Provenienzforscherin am Deutschen Technikmuseum in Berlin.
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
RETOUR - Freier Blog für Provenienzforschende (18. September 2025). Die Kaufverträge des VEB Antikhandel Pirna als Quelle für die Provenienzforschung. RETOUR 🠔. Abgerufen am 7. November 2025 von https://doi.org/10.58079/14pc1
![[Bild 1] Aufkleber, Quelle SDTB](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-1-Aufkleber-Quelle-SDTB.png)
![[Bild 2] Aufkleber, Quelle SDTB](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-2-Aufkleber-Quelle-SDTB.png)
![[Bild 3] Auszug Spezifikation KuA, Quelle SDTB](https://retour.hypotheses.org/files/2025/09/Bild-3-Auszug-Spezifikation-KuA-Quelle-SDTB-500x120.png)